Im letzten Blogartikel haben wir die vielfältigen Charaktere einer Familien- und Unternehmenskultur genauer unter die Lupe genommen. Falls du eine Auffrischung brauchst, oder nochmal die Details nachlesen möchtest, findest du hier die beiden Teile zum Nachlesen.
Und jetzt stell dir vor, du sitzt mit ein paar Kolleg:innen in einem Feedback-Gespräch. Euer HR-Manager, stellt die Frage:
„Wie würdet ihr eure Unternehmenskultur beschreiben – und vor allem: Was könnt ihr dazu beitragen?“
Hand aufs Herz: Mit hoher Wahrscheinlichkeit glaubst du jetzt vielleicht, dass sich nur deine Führungskraft oder die Chefetage mit solchen unternehmensinternen Fragen herumschlagen sollten. Ich sage aber: Das Thema Unternehmenskultur ist weitaus vielschichtiger, als du jetzt vielleicht denkst.
Was bedeutet Kultur in einem Unternehmen? Oder: Warum eben nicht jeder Deckel auf jeden Topf passt.
Ich selbst komme ursprünglich aus dem Kulturmanagement. Da ging’s natürlich viel um Musik, Theater, Speaker und Speakerinnen – aber auch um Menschen, die ihren ganz individuellen Blick aufs Leben vermitteln. Diese Künstler:innen eröffnen uns Perspektiven, die wir von allein vielleicht nie sehen würden. Und genau das ist für mich auch in Unternehmen spannend: Jeder Mensch bringt seinen Blickwinkel mit, jeder hat seinen ganz eigenen Stil – und gemeinsam entsteht (oder eben auch nicht) so etwas wie Unternehmenskultur.
Von meinem früheren Beruf ins Heute übersetzt bedeutet das: In Firmen stehen zwar keine Sänger:innen auf der Bühne, aber sie handeln, sprechen und arbeiten nach ganz bestimmten Regeln, Werten oder liebgewonnenen Ritualen. Man könnte auch sagen: Es ist wie eine „Fanbase“, die sich von anderen unterscheidet. So wie die Fans von Andreas Gabalier sich stark von “Swifties” (Fangemeinde von Taylor Swift) unterscheiden, so einzigartig ist auch jede Unternehmenskultur. Die Leute drücken sich ähnlich aus, sie haben vielleicht gemeinsame Denkweisen, verhalten sich in einer bestimmten Weise, gestalten individuell ihre Beziehung untereinander, folgen gewissen Gewohnheiten und so weiter. Das alles prägt diese ganz spezielle Gruppenkultur.
Nehmen wir jetzt nochmal das Beispiel mit Familie Schwarz her.
Was möchte ich damit sagen…
Jeder dieser Charaktere hat Stärken und Schwächen. Jeder prägt die Familienkultur mit – ob er will oder nicht. Anna treibt an („Los, wir müssen was schaffen!“), Gabi kümmert sich darum, dass es allen auf dem Weg gut geht, pflegt den Zusammenhalt („Wir müssen uns alle wohlfühlen!“), Lisa schüttelt die verrückten Ideen aus dem Ärmel („Sonst ist das hier langweilig!“) usw. Das Ergebnis: Entweder man geht ein Stück weit auf die andere Person zu und erkennt die Verschiedenheit und unterschiedlichen Verhalten und Bedürfnisse an, oder es kommt zum Konflikt.
Jeder einzelne trägt zu einer guten oder auch schlechten Kultur bei.
Und genauso so läuft’s auch in Unternehmen.
Aber was ist jetzt eine “gute” oder “schlechte” Kultur?
Wenn ich in ein neues Unternehmen komme, schaue ich mir erst mal an, wie die Menschen miteinander umgehen:
- Wie sprechen die Menschen miteinander? (formell/informell, respektvoll/direkt)
- Wie läuft die Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden? (top-down, partizipativ, offen oder zurückhaltend?)
- Wie wird Feedback gegeben und angenommen?
- Wie wird mit Fehlern umgegangen?
- Wie wird über das Unternehmen gesprochen? (stolz, kritisch, gleichgültig)
Man kann nicht sagen, dass die eine Kultur automatisch besser ist als die andere. Die Frage ist nur: Was tut uns gut und was schadet uns? Diese Frage muss jeder für sich stellen. Und die Antwort findet sich spätestens dann, wenn es plötzlich nicht mehr funktioniert. Sei es, weil alle gestresst sind, weil Informationen nicht fließen oder der Ton rauer wird. Dann merkt man: „Hoppla, da geht was ab!“ oder eben „Da fehlt was!“
In Seminargruppen mache ich zu Beginn gern folgendes Experiment: Zwei Leute interviewen sich gegenseitig und stellen dann den jeweils anderen vor. Die Trefferquote, mit der sie sich am Ende gegenseitig beschreiben, ist verblüffend hoch. Meine Erkenntnis: Wir haben’s noch drauf, Menschen relativ gut einschätzen zu können (auch wenn wir das in machen Situationen scheinbar verlernt haben).
Mit dieser Methode fördere ich nicht nur das Einfühlungsvermögen der Teilnehmer:innen in ihre Kollegen, sondern führe auch zur Erkenntnis, wen habe ich denn da überhaupt vor mir sitzen.
Und egal in welches Team man schaut: Man findet immer alle Typen – die Empathischen, die Leistungsorientierten, die Risikofreudigen und so weiter. Eine Gruppe, in der sich alle einig sind, wäre vielleicht mal für zwei Stunden praktisch, aber auf Dauer total langweilig. Bunt ist gut, auch wenn’s manchmal anstrengend wird.
Viele Führungskräfte sprechen mich an und sagen, sie wünschen sich nach einer Coachingwoche ein herausragendes Betriebsklima. Aber eine Ansage wie: „Wir brauchen jetzt mehr Kultur!“ hilft gar nichts. Kultur entsteht langsam – durch gemeinsame Erlebnisse.
- Positives: Jemand hilft mir spontan aus, fragt nach, wie’s mir geht, oder hört mir ohne Augenrollen zu.
- Negatives: Streit, Unstimmigkeiten, Grüppchenbildung und ständige Schuldzuweisungen.
Die gute Nachricht: Eine gesunde Unternehmenskultur zu entwickeln, ist kein Hokuspokus. Es braucht bloß Interesse an den Menschen, Achtsamkeit, Kommunikation und das Verständnis, dass es immer mehr als meine Perspektive gibt.
Und wer länger in Trainings war, weiß: Die scheinbar wichtigsten Themen wie Boni oder Gehalt rücken oft in den Hintergrund, wenn das Miteinander funktioniert. Ein authentisches Zusammenarbeiten überwiegt langfristig ein höheres Gehalt.
Deshalb mein Appell: Schau dich mal in deinem (Arbeits-)Umfeld um. Welche Typen gibt es da? Wer ist deine „Anna“, wer ist dein „Leo“? Wie geht ihr miteinander um? Und wenn du merkst, dass irgendwas in Schieflage geraten ist: Fang bei dir selbst an.
- Was könntest du ändern?
- Welche Gewohnheit könntet ihr gemeinsam durch ein kleines Ritual ersetzen? (Vielleicht einfach nur gemeinsamer Kaffee am Morgen, ohne Gezeter, ohne Zwang)
- Wo könntest du jemandem Respekt zollen, den du bisher eher ignoriert hast?
Ganz ehrlich: Unternehmenskultur passiert nicht – sie wird gelebt. Am besten genau jetzt. Glaub mir, es lohnt sich.
Und das Wichtigste: Es macht sogar ein bisschen Spaß. Fast wie ein Familientreffen, nur mit ein bisschen weniger Drama (hoffentlich) 😉
Ich hoffe, ihr hattet heute genauso viel Freude beim Lesen wie ich beim Schreiben. Auch wenn’s „nur“ (Unternehmens-)Kultur ist: Das Thema lässt uns nicht so leicht los, oder? In diesem Sinne, bis zum nächsten Blog-Beitrag.
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