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Warum wir in Unternehmen dringend lernen müssen, Bedürfnisse zu erkennen (und was das mit unserer Amygdala zu tun hat)

Wenn du denkst, dass eine gute Führung in Unternehmen mit noch mehr Vorgaben, Kontrolle und Druck funktioniert, dann muss ich dich enttäuschen. Aus meiner täglichen Arbeit mit Führungskräften weiß ich: Dieser Ansatz gehört ins Museum – am besten gleich neben die Schreibmaschine und das Wählscheibentelefon.

Was Unternehmen und ihre Fühungskräfte heute wirklich brauchen, ist die Fähigkeit, die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter:innen wahrzunehmen. Und bevor du jetzt abwinkst und denkst, dafür bräuchte es hochtrabende Management-Workshops oder sündhaft teure Coachings – nein. Die gute Nachricht ist: Diese Fähigkeit steckt bereits in uns. Jeder von uns hat sie. Wir haben sie nur ein bisschen verlernt.

Viele Unternehmen sind heute noch stark hierarchisch organisiert – und das ist auch kein Drama. Im Gegenteil: Diese Form der hierarchischen Führung war über Jahrzehnte ein echtes Erfolgsmodell. Man darf also ruhig anerkennen, dass Hierarchie einmal seinen guten Zweck erfüllt hat. Nur: Was früher auf Druck und klaren Ansagen aufgebaut war, stößt heute zunehmend an seine Grenzen. Denn Druck funktioniert nicht mehr – zumindest nicht nachhaltig.

Ein kleiner Blick auf die Wortherkunft verrät übrigens schon einiges: „Manager“ enthält das Wort „Manege“ – und in der Manege geht’s um Dressur. Da wird sanft oder weniger sanft gelenkt und gesteuert. Genau diese Art von Führung – die klassische „Dressur“ – verliert jedoch heute ihre Wirkung. Die Führungskräfte der Zukunft brauchen ein neues Werkzeug: Bedürfnisorientierung.

Und damit meine ich nicht, dass wir unsere Mitarbeiter:innen künftig mit Samthandschuhen anfassen müssen. Aber wer motivieren, begeistern und gemeinsam Ziele erreichen will, muss verstehen, was Menschen antreibt.

Deshalb schauen wir bei unserer Arbeit genau dorthin: auf die Bedürfnisse hinter dem Verhalten. Auf die Währungen, die jedem Menschen wichtig sind. Und genau da liegt der Schlüssel für echte Begeisterung und nachhaltigen Unternehmenserfolg.

Die vergessene Superkraft: Wahrnehmung

Unsere Amygdala – dieser kleine, unscheinbare Teil im Gehirn – hat uns früher das Leben gerettet. Sie ist der Filter für unsere Erfahrungen und hat Gefahren erkannt, bevor sie überhaupt richtig sichtbar waren. Diese feine Antenne für Stimmungen, Schwingungen und Bedürfnisse anderer haben wir alle. Wir alle sind von Natur aus kleine „Profiler“.

Nur heute sind wir so beschäftigt damit, auf unsere Handys zu starren, Social Media zu checken oder den eigenen Tagesplan zu optimieren, dass wir verlernt haben, diese Antennen bewusst zu nutzen. Dabei spüren wir sie immer noch: Dieses feine Gefühl, wenn du einen Raum betrittst und sofort merkst, ob dicke Luft herrscht oder gute Stimmung.

Bedürfnisorientierung kostet nichts – außer Aufmerksamkeit

Das Schöne ist: Bedürfnisse erkennen kostet kein Geld. Kein Zertifikat. Keine fünf Tage Teambuilding auf einer Almhütte. Es braucht nur eines: echtes Interesse am Menschen. Die Fähigkeit, den Fokus einmal weg von sich selbst und hin zum Gegenüber zu lenken.

In meinen Seminaren arbeite ich genau damit. Oft reicht eine simple Übung: Zuhören. Aktiv. Ohne dabei heimlich die nächste Antwort zu planen oder aufs Handy zu schielen. Hinhören, Hinsehen, Hinspüren.

Warum das in Unternehmen den Unterschied macht.

Was passiert, wenn wir anfangen, Bedürfnisse zu erkennen? Ganz einfach: Wir schaffen Beziehungen. Und Beziehungen sind das Rückgrat jeder erfolgreichen Organisation. Ohne echte Beziehungen wird kein Ziel erreicht, keine Innovation geboren und kein Team zusammenwachsen.

Und ja, dafür müssen wir manchmal den inneren Autopiloten ausschalten. Raus aus dem Überlebensmodus. Raus aus der Jagd nach Likes und schnellen Erfolgen. Wieder rein ins echte Miteinander.
Ein letzter Gedanke…

Ich sage in meinen Workshops: Wir haben alles, was wir brauchen, schon in uns. Es geht nicht darum, neue Tricks zu lernen. Es geht darum, alte Fähigkeiten wieder freizulegen. Die Fähigkeit, Menschen zu sehen. Nicht als Ressource, nicht als Kostenstelle, sondern als Partner am Weg zum gemeinsamen Erfolg.

Ganz sicher liegt genau darin die Zukunft guter Führung.

„Das hab ich so nicht gemeint!“ – Wie Wahrnehmung Konflikte beeinflusst

Am Esstisch der Familie Schwarz kann es schon mal heiß hergehen. Besonders, wenn Onkel Max und Rudolf, das Familienoberhaupt, anwesend sind. Max ist der erfolgreiche Unternehmer – immer in Bewegung, risikofreudig und ungeduldig gegenüber langen Diskussionen. Rudolf hingegen ist sein Gegenpol: nachdenklich, werteorientiert und jemand, der Themen tiefgründig durchdringen will.

Eines Abends entbrennt zwischen den beiden eine hitzige Diskussion. Rudolf, der gerade die Nachrichten gelesen hat, ist empört über die jüngsten Entwicklungen in der US-Politik.

„Das ist eine Katastrophe! Die Welt steuert auf eine Krise zu!“, ruft er.
Onkel Max winkt ab.
„Ach, komm schon, Rudolf. Du siehst immer nur das Negative! Das könnte auch eine wirtschaftliche Chance sein.“

Die Stimmung kippt. Während Rudolf und Max lautstark aneinandergeraten, flüchten sich die übrigen Familienmitglieder stillschweigend in ihre Lasagne – so konzentriert, als könnten sich zwischen Pasta, Hackfleisch und Béchamelsauce Goldstücke verstecken.

„Hmm, diese Lasagne!“, murmeln sie übertrieben interessiert, nur um nicht zwischen die Fronten zu geraten.

Rudolf fühlt sich nicht ernst genommen – seine Überzeugungen werden abgewertet. Max hingegen ärgert sich über das, was er als Panikmache empfindet. Was hier passiert, ist ein Paradebeispiel für Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen: Zwei Menschen sprechen, doch sie verstehen einander nicht.

Warum reden wir oft aneinander vorbei?

Bevor wir der Frage auf den Grund gehen, warum solche Missverständnisse entstehen, lohnt sich ein Blick zurück: Was bedeutet Wahrnehmung eigentlich?

Wahrnehmung ist weder objektiv noch neutral – und sie entwickelt sich auch nicht erst im Erwachsenenalter. Bereits im ersten Lebensjahr werden unsere Wahrnehmungsmuster geprägt. Diese bleiben uns ein Leben lang erhalten.

Verhaltensforschung und das Prozess Communication Model zeigen: Menschen nehmen ihre Umwelt sehr unterschiedlich wahr. Diese Unterschiede basieren auf inneren psychologischen Bedürfnissen und auf der Art, wie wir Erlebnisse abspeichern und interpretieren. Ob wir eher faktenorientiert, emotional, pragmatisch, wertegeleitet oder reflektierend reagieren – all das prägt auch unseren Kommunikationsstil.

Gerade unter Stress wird das besonders sichtbar: Wir kommunizieren dann nicht mehr sachlich, sondern aus unseren inneren Mustern heraus – oft unbewusst.

PCM: Sechs Wahrnehmungsarten, sechs Kommunikationsstile

Der Psychologe Taibi Kahler, Begründer des Prozess Communication Model, hat sechs typische Wahrnehmungs- und Kommunikationsstile beschrieben:

Die sechs Wahrnehmungsarten im PCM sind:

  • Denken: Wahrnehmung über Zahlen, Daten, Fakten, Logik und Analysen („Ich denke …“)
  • Meinungen: Wahrnehmung über Werte, Überzeugungen, Standpunkte („Ich bin der Meinung …“)
  • Gefühle: Wahrnehmung über Empfindungen, Beziehungen, Emotionen („Ich fühle …“)
  • Reaktionen: Wahrnehmung über spontane Vorlieben, Abneigungen, Impulse, Spaß („Gefällt mir!“, „Mag ich nicht!“) 
  • Reflexionen/Inaktion: Wahrnehmung über Vorstellungen, innere Bilder, Reflexion, Innehalten („Ich stelle mir vor …“)
  • Aktion: Wahrnehmung über Handeln, Tun, unmittelbares Umsetzen („Ich mache …“)

Erkennst du die Familie Schwarz?
Rudolf bewegt sich stark in der Wahrnehmungsart „Meinung“ – wertegeleitet, tiefgründig, überzeugt. Max hingegen verkörpert klar die Wahrnehmungsart „Aktion“ – schnell, pragmatisch, lösungsorientiert.

Wenn also Rudolf (Meinung) und Max (Aktion) aufeinandertreffen, sprechen sie bildlich gesprochen auf zwei völlig unterschiedlichen Frequenzen – wie bei einem Funkgerät mit unterschiedlichen Kanaleinstellung. Missverständnisse sind vorprogrammiert.

Stress als Verstärker von Misskommunikation

Unter Druck neigen wir dazu, in unseren bevorzugten Kommunikationsstil zurückzufallen – und zwar oft übertrieben stark.
Max, der Macher, wird ungeduldig, wenn ihm jemand mit langen Analysen kommt.
Rudolf, der Werteorientierte, wird noch ausdauernder in seiner Argumentation, um sich abzusichern.

Die Folge: Die Fronten verhärten sich. Es geht nicht mehr um Inhalte – sondern um verletzte Bedürfnisse.

Wie wir Misskommunikation vermeiden können

Hier sind fünf praxiserprobte Strategien, um solche Konflikte im Arbeitsalltag zu entschärfen:

1. Aktiv zuhören
Zuhören ohne sofort zu bewerten oder zu unterbrechen. Statt „Das ist doch Blödsinn!“ könnte Max sagen:

„Interessant, warum denkst du das?“
Das signalisiert Respekt und Offenheit.

2. Kommunikationsstil erkennen und anpassen

Frage dich: Wie kommuniziert mein Gegenüber?

– Faktenmensch? → Zahlen, Daten liefern.
– Werteorientiert? → Überzeugungen anerkennen.
– Gefühlsbetont? → Empathisch reagieren.
PCM nennt das „Andocken auf der richtigen Frequenz“.

3. Klarheit schaffen

Formuliere Erwartungen eindeutig.

„Ich brauche bis morgen eine Zusammenfassung“
ist klarer als
„Kannst du da mal drüberschauen?“

4. Konflikte als Entwicklungschance sehen

Konflikte sind nicht per se schlecht. Sie bieten Raum für Klärung und Entwicklung. Einer muss den ersten Schritt machen.

Max könnte sagen:

„Es ist nicht meine Absicht, deine Sicht abzuwerten. Ich bin interessiert, wie du das siehst.“
Rudolf könnte fragen:
„Was wäre aus deiner Sicht eine gute Lösung?“
So entsteht Dialog auf Augenhöhe.

5. Eigene Triggerpunkte erkennen

Jeder hat „rote Knöpfe“, die ihn im Streit reizen. Wer sie kennt, kann bewusster reagieren.

Max könnte sich fragen:

„Warum regt mich das so auf?“
Rudolf könnte erkennen:
„Ich brauche Anerkennung für meine Überzeugung – wie kann ich sie einfordern, ohne zu belehren?“

Fazit: Hinter jedem Streit stehen Bedürfnisse

Es geht selten nur ums Sachthema – sondern fast immer um unerfüllte psychologische Bedürfnisse.
Im Fall von Max und Rudolf:
Rudolf sehnt sich nach Anerkennung seiner Werte.
Max will für sein Handeln und seine Lösungsorientierung gesehen werden.

Wer seine eigenen Muster kennt, kann Konflikte früher entschärfen – und Kommunikation gelassener gestalten.

——

Frage an dich:

Nimm dir ein paar Minuten Zeit und notiere deine Gedanken:
→ Welche „rote Knöpfe“ hast du selbst?
→ Welche Wahrnehmungsart passt auf dich?

Ob im Journal, am Laptop oder auf Papier – es lohnt sich!

Nicht noch so ein Blog!

Ja, ich weiß, das Internet ist bereits übervoll mit Menschen, die ihre Geschichten erzählen und uns das Blaue vom Himmel versprechen zu Themen, die unsere innersten Bedürfnisse triggern. Wie kann ich mein Leben “besser” leben, erfolgreicher sein, reicher werden, was macht brillante Leader:innen aus? Was du gleich lesen wirst, enthält manchmal die nackte und ungeschönte Wahrheit – eine Wahrheit, die vielleicht wehtut und alles andere als glamourös ist, wie es vielleicht in manchen Ratgebern dargestellt wird. Sich selbst ab und zu mal einen Spiegel vorzuhalten, hat aber noch niemandem geschadet, oder? Also. Dieser Blog wird anders sein. Darauf kannst du dich verlassen! 😉

Ich bin eher der Typ, der sich mit den echten, greifbaren Erfahrungen beschäftigt – denjenigen, die uns alle (be)treffen. Wenn du bereit bist dich darauf einzulassen, bekommst du die nackte Wahrheit garniert mit Learnings, die lang(e)weilen werden – und ja, das ist ein Wortspiel. Es bedeutet, dass du hier langfristige Einsichten finden wirst, die mehr als nur kurzfristige Input-Flammen sind. Klingt gut? Dann bleib jetzt dran und lies weiter.

In Workshops beginne ich gerne damit, zu erklären, warum ich überhaupt hier vor den Teilnehmenden stehe. Lass uns das hier einfach mal genauso handhaben. Es ist nämlich keineswegs selbstverständlich, dass ich in die Rolle eines Referenten, Trainers oder Coaches geschlüpft bin. Wie bin ich also hierher gekommen, und was verbindet dich und mich?

Alles begann mit einem drängenden Wunsch nach Freiheit und Abenteuer. In sehr jungen Jahren – ich war Anfang 20 – zog es mich nach Australien. Zu dieser Zeit waren alle meine Freunde irgendwo auf der Welt unterwegs. Ich entschied, dass ich das auch erleben wollte. Mein Onkel, der nach dem Krieg ausgewandert war und nur einmal zurückgekehrt ist, hatte als junger Vater mit einer jungen Familie und wenigen Arbeitsperspektiven damals auch den mutigen Schritt gewagt, dort ein neues Leben zu beginnen. Seine Geschichten, die schwierige Beziehung mit seinem Vater, die ihn bis heute prägten und wie er ohne ein Wort Englisch mit seiner jungen Familie den Mut fand, alles Bekannte hinter sich zu lassen, faszinierten mich. Es schien mir also naheliegend, wie er auch den weitesten Weg zu nehmen. Und so brach ich auf eine Reise nach Australien auf.

Dort blieb ich knapp ein Jahr und kam nur zurück mit der Intention, meine Zelte in Österreich endgültig abzubrechen. Ich begann in der Burg Hasegg zu arbeiten, anfangs nur als Übergangslösung – ein Ort, der bis heute mein Ankerpunkt geblieben ist. Es war gedacht als Sommerjob – etwas Geld verdienen, mich vorzubereiten, um dann in den Flieger ohne Rückflugdatum nach Australien zu steigen. Doch genau in dieser Zeit traf ich jemanden.

Und dann kam alles anders. Mein Leben hat einen ganz anderen Lauf genommen. Ich blicke aber zurück ohne jegliche Wehmut. Es ist völlig sinnlos zu sagen, das Leben wäre noch cooler gewesen, wenn ich in Australien geblieben wäre. Es ist genauso geworden wie es sein soll.

Ich wuchs in die Arbeit in der Burg in Hall hinein. Es ist immer mehr geworden, immer interessanter. Und so bin ich relativ schnell in eine Führungsposition geschlüpft. Nun, nach Jahren des stetigen Wachstums in der Burg in Hall, wo aus einem kleinen Tourismusbereich ein großer Komplex von 1500 Quadratmetern wurde, begann ich mich zu fragen, ob dieser Pfad wirklich das war, was ich mein Leben lang machen wollte. Es war eine spannende Reise, aber irgendwo tief in mir spürte ich den Drang nach mehr, nach einer Veränderung, die über all das hinausging. Die Frage nach meiner wahren Leidenschaft, meiner inneren Flamme, hat mich seit ihrem ersten Auftauchen damals nicht mehr losgelassen.

Auf meiner Reise durch die Welt des Veranstaltungsmanagements in der Burg und mit meiner Eventagentur stolperte ich über eine Wahrheit, die mich einen kleinen Schritt näher zur Antwort meiner Fragen brachte. Nach einem tiefen Moment der Selbstbeobachtung erkannte ich: Meine größte Befriedigung lag nicht in dem donnernden Applaus oder den ausverkauften Veranstaltungen, sondern in den leisen Momenten, wenn die Lichter erloschen und das Publikum mit einem Meer an Erinnerungen und Eindrücken nach Hause ging. Es waren die subtilen, beinahe unsichtbaren Augenblicke, in denen ich die wahren Früchte meiner Arbeit sah – die Erleichterung, dass alles gut gegangen war, und die glänzenden Augen der Menschen, die mehr sagten als jedes Wort. 

Die Entdeckung, dass die strahlenden Gesichter des Publikums mir eine Befriedigung verschafften, verdeutlichte mir, dass mein größter Antrieb darin lag, einen bedeutsamen Beitrag zu leisten. In diesen wenigen Stunden gelang es mir, die Menschen aus ihrem Alltag zu entführen und ihnen Momente der Leichtigkeit, Freiheit und Unterhaltung zu bieten. Im besten Fall mit wertvollem Inhalt. Dieses Bewusstsein bestätigte mir, dass genau das der wahre Energiebringer für mich war.

Doch das allein genügte mir nicht. In meinem Inneren spürte ich eine Unsicherheit. Eine innere Unruhe, die ich nicht ganz einordnen konnte. War das wirklich schon die volle Antwort auf meine Suche nach dem, für das ich brenne? Lag es daran, dass ich selbst nie den Sprung auf die Bühne geschafft hatte? 

Getrieben von tausenden Fragezeichen ohne Antworten auf meine Fragen, suchte ich weiter nach dem Kern meiner Leidenschaft. Bis ich mich irgendwann an meine Mutter wandte. Ich fragte sie, wie ich als Kind war und was mich damals besonders machte. „Du warst kein besonders auffälliges Kind, eher unsicher und schüchtern.“ Im ersten Moment enttäuschte mich ihre Antwort. 

Doch dann erinnerte sie sich an ein prägendes Detail, das mir selbst längst entfallen war. Unser gemeinsames Abendritual, zusammen „Zeit Im Bild“ zu schauen. Und plötzlich wurde es mir klar. Sie erzählte mir, wie ich regelmäßig vor den Bildschirm trat, den Ton ausschaltete und fasziniert versuchte, die Worte der Sprecher von ihren Lippen abzulesen, während ich ihre Körpersprache aufmerksam beobachtete. Als Kind  war das damals ein unterhaltsames “Spiel”.

Aus heutiger Sicht betrachtet war dieser Moment aber ein Wendepunkt für mich und brachte eine  Erkenntnis. Schon als Kind war es mein  Interesse, zu verstehen, wie Menschen kommunizieren und welche Wirkung sie erzielen. Dieser frühe Hang zur Beobachtung und Interpretation menschlicher Ausdrucksformen war der Schlüssel, der mir immer wieder den Weg gewiesen hatte.

So wurde die einfache Handlung eines Kindes, das versuchte, die Nachrichten ohne Ton zu verstehen, zum Fundament meiner beruflichen Philosophie und Praxis. Es lehrte mich, zuzuhören und zu beobachten – Fähigkeiten, die entscheidend sind, um Räume zu schaffen, in denen sich echte menschliche Erfahrungen entfalten können.

Und von da an beschloss ich: Ich will mehr darüber wissen.

Ich wurde auf einen Körpersprache-Experten in der Schweiz aufmerksam. Bei einem Telefonat sagte er mir dann ganz nonchalant, ich kann in die Schweiz kommen, aber das braucht zwei Dinge. Es kostet Geld und es kostet Zeit. Zwei Dinge, die ich zur damaligen Zeit nicht aufwenden konnte und wollte. Sein Rat am Ende unseres Gesprächs war aber entscheidend, und dafür bin ich ihm unglaublich dankbar: „Beginnen Sie mit den Grundlagen, Herr Ablinger. Körpersprache ist wichtig, aber Kommunikation ist entscheidend. Bauen Sie darauf Ihr Wissen auf.“ Diesen Rat befolgte ich und begann in Wien eine umfassende Kommunikationsausbildung. Für mich aber immer noch nur der Tropfen auf dem heißen Stein.

Nach Abschluss meiner ersten Ausbildung kontaktierte mich meine Referentin, Karin, die genau wusste, wonach ich suchte. Sie rief mich an: „Andreas, in Wien startet bald eine Ausbildung in Verhaltensanalytik und Profiling, die könnte für dich interessant sein.“ Ich meldete mich also für den Lehrgang an.

Als ich am ersten Tag nach Wien kam, sah mich die Kursleiterin verwundert an. „Sie sind jetzt aber nicht der, den ich erwartet habe“, stellte sie fest. Scheinbar gab es eine Verwechslung zweier Bewerber:innen und ich war eigentlich gar nicht der, für den man mich gehalten hatte. „Ja, jetzt bin ich schon da“, antwortete ich Schulter zuckend, entschlossen, die Gelegenheit zu nutzen. 

Diese zufällige Fügung des Schicksals führte dazu, dass ich zwei Jahre in dieser stark von der Kriminaltechnik geprägten Ausbildung verbrachte und feststellte, dass dies genau mein  Thema war.

Ich saß inmitten von  Menschen, die sich mit  analytischen Methoden auseinandersetzen. Zwei Jahre intensiver Ausbildung eröffneten mir eine völlig neue Perspektive auf menschliches Verhalten. Ich lernte, dass unsere Gesellschaft dazu neigt, negative Verhaltensweisen intensiver zu analysieren und zu bewerten als positive. Beunruhigend als auch faszinierend.

Diese Erkenntnisse, gewonnen auf Zugfahrten von Wien zurück, haben mich tief berührt. Könnte mein Sitznachbar, den ich kaum beachte, vielleicht ein Geheimnis tragen, das sein wahres Wesen verbirgt? Ist es nicht so, dass in jedem von uns, egal unter welchen Umständen, eine grundlegende Güte existiert? Wer von uns steht schon morgens auf mit dem Vorsatz, sich selbst den Tag so richtig  zu ruinieren? Selbst ein Verbrecher steht nicht mit dem  Bedürfnis auf  Böses zu tun.

Über die Jahre hat sich meine berufliche Laufbahn entwickelt und vertieft. Von einem Thema zum nächsten bin ich gewandert, wobei zwei Bereiche besonders prägend waren und mich auch heute noch intensiv beschäftigen – Kommunikation und Körpersprache. Nachdem ich zahlreiche Ausbildungen und Kurse absolviert hatte, kam schließlich die erste Anfrage, die alles veränderte. Es war dieser Moment, der nicht nur meine Fähigkeiten, sondern auch mein Verständnis von meiner beruflichen Richtung auf die Probe stellte und mich schließlich in die Selbstständigkeit führte. Diese Anfrage war der Funke, der das Feuer meiner Leidenschaft für das Coaching und die Beratung entzündete und mich dazu brachte, meinen eigenen Weg in dieser Branche zu gehen.

Meine Leidenschaft für das, was ich tue, zieht scheinbar die richtigen Chancen an. Während ich weiterhin einige Stunden in meiner früheren Tätigkeit verbringe, fasziniert mich die Dynamik meiner  neuen Aufgaben zunehmend. Jeder Tag, an dem ich in einen neuen Auftrag eintauche, bringt eine intensive Freude und Begeisterung mit sich.

Dieses Engagement hat mich schließlich zu einer wertvollen Erkenntnis geführt: Ich stehe jetzt, in gewisser Weise, auf der Bühne. Was ich einst ablehnte, hat sich auf ironische Weise erfüllt. Ich arbeite nicht nur mit Menschen, sondern auch vor ihnen, und ziehe sie in den Bann meiner Workshops. In dieser Rolle entfalte ich mein wahres Potenzial, schaffe Verbindungen und entzünde die Begeisterung der Teilnehmer, was mir tiefes berufliches Erfüllungsgefühl schenkt.

Eine Teilnehmerin erwähnte einmal, wie sehr sie es schätze, dass ich so viel von mir gebe. Dieses Feedback brachte mich dazu, die Art und Weise, wie ich mit Menschen arbeite, genauer zu betrachten. Ich begann zu erkunden, unter welchen Umständen ich am meisten gebe und erkannte, dass echte Verbindungen am besten in Workshops entstehen, wenn die Teilnehmer freiwillig dabei sind und sich eine positive Beziehung entwickelt.

Immer, wirklich immer, habe ich es geschafft, eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen. Irgendwann habe ich mich gefragt: Wo liegt der Schlüssel dazu? Wann funktioniert es wirklich, dass ich nicht nur ernst genommen werde, sondern dass eine positive, authentische Energie entsteht? Die Antwort war simpel und doch tiefgreifend: Es geschah immer dann, wenn ich bereit war, aus meinem eigenen Leben zu erzählen.

Im Leben jedes Menschen gibt es Wendepunkte. Momente, in denen alles, was danach kommt, unwiderruflich verändert wird. Für mich war ein solcher Moment die Erkenntnis, dass meine tiefsten Einsichten und das größte Wachstum aus meinen persönlichen Niederlagen stammen.

Und die Verbindung zu Menschen gelang mir jedes Mal durch die Offenheit über mein eigenes Scheitern zu sprechen. Das Scheitern, das auch mich immer wieder in die Fallen des Lebens tappen ließ.

Ich bin regelmäßig in meinen inneren und äußeren Konflikten gefangen, gehe aber vielleicht anders damit um. Meine Misserfolge, meine persönlichen Kämpfe, die ich in meinem Leben erlebt habe, waren immer das, was mich voran brachte. Am Ende bin ich an diesen Herausforderungen am meisten gewachsen, weil ich bereit war, hinzuschauen und mich zu fragen: Was ist die Botschaft dahinter? Was soll ich jetzt lernen?

Es ist eine Reise des ständigen Scheiterns, mit dem Wunsch, immer zu gewinnen. Aber der Weg zum Sieg führt über viele, viele Niederlagen. Und so kam ich zu einer  wichtigen Erfahrung: Die beste Bindung entsteht immer dann, wenn ich bereit bin,  alles von mir selbst zu geben.

Vielleicht ist es auch genau diese Erkenntnis, die mich dazu bewegt hat, diesen Blog zu starten. Ein Ort, an dem ich Geschichten teilen kann – Erzählungen, die natürlich absolut nicht aus meinem Leben sind 😉 Ein sarkastischer Untertitel dieses Blogs, der die Lesenden schmunzeln lässt und gleichzeitig einlädt, die tieferen Wahrheiten zu erkunden, die wir alle in unseren eigenen Geschichten finden können. Denn sind wir mal ehrlich: Die besten Geschichten sind doch die, die so unglaublich sind, dass sie nur wahr sein können, oder?